Stoneman Arduenna

Endlich nehmen wir den letzten unbekannten Stoneman unter die Räder.

Seit 2020 hatte ich den Plan, mit dem Mountainbike auf dieser neuen Route in Belgien neue Eindrücke zu sammeln und meine Grenzen weiter zu verschieben. Leider kam dann die Coronapandemie dazwischen, die uns immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Notgedrungen wurde der Arduenna demnach immer wieder auf unbestimmte Zeit verschoben. Zwischenzeitlich hatten wir uns mehr dem Bikepacking und den Gravelbikes zugewandt und das Thema Stoneman geriet fast in Vergessenheit. Unser Fokus liegt aktuell mehr auf Bikepackingtrips und Ultradistanzen im Solo-self-supported Modus aber wir freuen uns auf den neuen Stoneman.

Warum wir den Arduenna als Zwei-Tages-Bikepacking-Trip planen, das Fatty zum Einsatz kommt, ein Fitness-Studio als Schlafplatz dient und wie unglaublich stabil eine Bikepacking-Ausrüstung sein kann, erfährst Du in dieser Geschichte.

Der 176 Kilometer lange Stoneman Arduenna liegt in Ostbelgien. Der wirklich hohe Trail Anteil lässt das Mountainbiker-Herz höher schlagen. Wie bei den anderen Stoneman Challenges gibt es auch hier viele Höhenmeter zu überwinden, denn das Streckenprofil mit seinen 3900 Höhenmetern gleicht dem eines Sägeblattes. Flache Stücke gibt es kaum – es geht permanent steil bergauf oder bergab. Der längste Anstieg beginnt an der Kirche in Malmedy und endet am Hohen Venn, einem Hochmoor das vor 10.000 Jahren entstand und das größte Naturschutzgebiet Belgiens darstellt. Im weiteren Verlauf der Strecke, die durch tiefgrüne Wälder mit wunderschönen und teils anspruchsvollen Trails verläuft, überquert man die deutsche und luxemburgische Grenze. Immer wieder verfällst Du dem Trail-Rausch. Der grüne Tunnel der Dich verschlingen will wird dabei Teils sehr eng.

Wie bei Stoneman Challenges gewohnt, lässt sich auch der Arduenna in drei verschiedenen Varianten bezwingen.

Wer in Landschaft und Kultur eintauchen möchte, ohne dabei Zeitdruck zu spüren, ist mit der Bronze-Variante sehr gut bedient. Hier hat man drei Tage Zeit um das Erlebnis in Ostbelgien genießen zu können.

Die Zweitages-Silber-Variante ist ambitionierter und anstrengender.

Die Strecke aber an einem Tag auf Gold zu fahren ist nur sehr sportlichen Fahrern möglich, da der Arduenna lediglich bei Tageslicht befahren werden darf und das grenzt die Zeit um einiges ein. Für Land und Leute, gutes Essen sowie Kultur und ausgedehnte Pausen bleibt auf Gold kaum noch Zeit – hier geht es eher um eine möglichst hohe Durchschnittsgeschwindigkeit und wie man diese möglichst lange durchhalten kann. Ein Defekt am Rad kann den Traum vom Gold daher schnell gefährden. Stoneman empfiehlt als beste „Reisezeit“ für Gold, die Wochen zwischen Juni und August, da hier täglich mit mindestens 13 Stunden Sonne zu rechnen ist. Ein Jahrespensum von mindestens 5.000 gefahrenen Radkilometern sollten Gold-Fahrer darüber hinaus mitbringen.

Wer den Stoneman bezwungen hat und die Streckenkarte an acht Stempelstellen lochen konnte, erhält den Stein in der Farbe des jeweiligen Metalls oder nach Wunsch auch die komplette Trophäe inklusive Stein.

Roland Stauder hat hier in Zusammenarbeit mit absolutGPS bzw. geoSports-Tec GmbH und der Tourismusagentur Ostbelgien ein weiteres atemberaubendes und eindrucksvolles Mountainbike-Erlebnis geschaffen. Der Arduenna gesellt sich als „junger Wilder“ mehr als selbstsicher zu den älteren Brüdern Dolomiti, Miriquidi, Taurista und Glaciara. Hierbei gilt auch wieder das Motto der Familie:

„Der Stoneman ist ein Mountainbike-Erlebnis, das mit einem Traum beginnt und in einer tiefgreifenden Erfahrung endet.“

Warum Stoneman und Bikepacking in einem?

Anja (Du kennst sie aus anderen Geschichten von mir), bringt den Stein ins rollen. Sie will den letzten unbekannten Stoneman endlich unter die Räder nehmen und das am liebsten gemeinsam mit Nina und mir. Das wir ein prima funktionierendes Ensemble bilden, hat sich ja bereits auf den zahlreichen vergangenen Stoneman-Touren gezeigt.

Nina und ich sind zu diesem Zeitpunkt allerdings mit den Vorbereitungen zu unserem persönlichen Jahreshighlight, dem Taunus Bikepacking beschäftigt. Dieses Event stellt mit einer Streckenlänge von 1.000 Kilometern und 20.000 Höhenmetern eine ganz andere Herausforderung dar. Das Ganze ist zudem im Solo-self-supported Modus zu absolvieren. Bedeutet: jeder kümmert sich um sich selbst, hat alles Notwendige am Bike zu haben und Probleme selbst zu lösen. Geschlafen wird dabei gern Open-Air im Sinne des Bikepacking Styles. Den Stoneman Arduenna als „Trainingstour“ zu nutzen, scheint uns daher sehr sinnvoll zu sein – genug Höhenmetertraining gibt es auf jeden Fall.

Nina und Anja beschließen das Ganze obendrein noch als Bikepacking-Trip fahren zu wollen – mit komplettem Gepäck und ohne irgendwelche Hotel-Übernachtungen. Zwei Wochen vor dem Taunus Bikepacking setzt diese Tour in Belgien nochmal einen finalen Trainingspeak. Damit der Arduenna so richtig schön anstrengend wird entscheiden sich beide obendrein noch für die Silber-Variante. Ich selbst finde Silber zwar okay, habe aber Bedenken bei der Sache mit der Bikepacking-Idee. Ein Stoneman ist an sich schon hart genug und warum sollte man sich mitsamt üppiger Ausrüstung über diese Strecke quälen. Noch dazu kann das Wetter in Ostbelgien Ende Mai noch recht unbeständig sein. Die Eifel ist nicht weit entfernt und mir fällt bei der Vorstellung ein, wie wechselhaft das Wetter dort sein kann (Rock am Ring, 24H Rennen auf der Nordschleife, VLN Rennen….. immer echt fieses Wetter). Ich finde die Idee daher nicht so prickelnd, beschließe aber dann doch, die Geschichte nach Plan der Mädels anzugehen. Martin, der sich dazu entschlossen hat uns auf diesen Mountainbike-Trip zu begleiten hat auch größere Bedenken, lässt sich dann aber dennoch auf dieses Abenteuer ein.

Lange Zeit kommen wir nicht richtig in die Planung. Der Termin an Pfingsten steht schon eine Weile fest, allerdings sind weder Start- und Zielort festgelegt, kein Etappenvorschlag erarbeitet und kein finaler Bikepackingspot gefunden. Also hänge ich mich bei der Recherche voll rein und finde einen tollen Silbertour-Streckenvorschlag auf der Seite von Stoneman Arduenna. Start und Ziel sowie das Zwischenziel stehen nun fest. Am ersten Tag geht es von Burg-Reuland nach Büttgenbach und am zweiten Tag zurück. Idealerweise sind die beiden Tagesetappen fast gleich aufgeteilt. Uns erwarten knapp 90 Kilometer und ca. 2.000 Höhenmeter pro Tag – eigentlich ideal.

Startpakete werden in der Regel von den teilnehmenden Hotels nur ausgehändigt, wenn man dort auch übernachtet. Dies haben wir aber gar nicht vor. Innerhalb der Stoneman-Buchungsmaske des Startpaketes lassen sich die jeweiligen Hotels auch nur anwählen, wenn man den Haken bei „ich übernachte dort“ gesetzt hat. Eine andere Möglichkeit zur Ausgabe der Startpakete bieten die offiziellen Ausgabestellen, die oft bei den örtlichen Tourismus-Büros zu finden sind. Leider machen diese in der Regel erst nach 10:00 Uhr und damit zu spät für uns auf. Da wir Nachts anreisen und früh morgens um 6 Uhr starten wollen (um genug Zeit auf der Strecke zu haben) sind wir deshalb auf jemanden angewiesen der uns sehr früh unsere Startpakete aushändigen kann. Die Idee mit der Stoneman-Now-Variante kennen wir (stempeln der Streckenpunkte via Handy App), bevorzugen aber aus Tradition lieber das richtige Kärtchen am Stoneman-Lanyard. Ein kurzer Anruf im Hotel Ulftaler Schänke bringt mich schnell weiter. Der Hotelier ist sehr entgegenkommend und bietet uns die Startpaketübergabe auch ohne Übernachtung an. Als Sahnehäubchen wird er die Pakete am Vorabend vor dem Hotel sicher für uns deponieren. Mega – damit sind wir unabhängig von Rezeptionsöffnungszeiten. Wieder ein Problem gelöst.

Als Nächstes erörtere ich verschiedene Übernachtungsmöglichkeiten in der Nähe von Büttgenbach. Bei der Recherche nach „Bikepacking in Belgien“, komme ich immer wieder auf Websites die davon abraten, um Landesgesetze nicht zu brechen oder sogar Bußgelder zu riskieren. Ich habe keine Lust auf Ärger und möchte lieber auf Nummer sicher gehen. Statt irgendwo wild zu biwakieren, könnten wir unser Equipment ja auch auf einem Campingplatz testen… Der Sport- und Ferienpark Worriken ist leider schon völlig ausgebucht. Ein weiterer Campingplatz (südlich von Büllingen), liegt sehr nah an der Strecke und hätte auch noch Plätze frei. Allerdings scheint es dort kein Restaurant zu geben und wir müssten am ersten Tag 14 Kilometer weiter fahren. Auch nicht ideal. Was nun? Eigentlich ist Büttgenbach mit dem schönen See ein toller Ort zum übernachten – vielleicht finde ich da ja doch noch irgendeinen anderen Campingplatz… Neben dem Sport- und Ferienpark Worriken gibt es noch das Beverly Weekend. Dort gibt es aber eigentlich nur mietbare Ferienwohnungen. Auf der Website sehe ich das es dort einen großen Spa-Bereich mit Sauna gibt. Das wäre ja mal ne Idee! 90 Kilometer bei eventuell schlechter Wetterlage fahren und dann vor dem biwakieren in der Sauna aufwärmen. Ich schreibe eine Mail ans Beverly Weekend und frage ob wir vielleicht auf dem Freigelände biwakieren dürften – ausnahmsweise vielleicht. Ich mache mir bei dieser Anfrage keine großen Hoffnungen, bin aber doch froh es wenigstens probiert zu haben.

Ruckzuck bekomme ich eine sehr positive Antwort aus dem Beverly Weekend von der Mitarbeiterin Alexa. Sie findet unsere Idee richtig gut und unterstützt uns voll bei unserem Vorhaben. Wenig später steht fest, dass wir dort wirklich biwakieren dürfen. Noch viel gewaltiger ist aber die Tatsache, dass das Spa von 20:30 Uhr bis 22:00 Uhr exklusiv für uns reserviert ist. Nur für uns allein – was für ein Knaller. Diese Neuigkeit findet der Rest der Truppe natürlich auch mega gut. Also ist nun auch das Thema mit der Zwischenübernachtung gelöst. Alexa bietet sogar an, uns ein paar Bier oder Sonstiges bereit zu stellen und schickt mir ihre Handynummer um alles weitere problemlos und einfach über WhatsApp klären zu können. Ich bedanke mich mehrfach für diesen starken Service.

Eigentlich wollten wir direkt nach dem Finishen wieder in unsere Autos steigen um nach Hause zu fahren. Es sind ja von Burg-Reuland nur knapp drei Stunden Fahrt. Allerdings wäre es schöner den Abend richtig zu feiern und doch noch eine Nacht in Belgien zu verbringen. So kommt es, dass Nina noch zwei Zimmer in der Ulftaler Schenke reservieren kann und rundet damit die bisherige Planung ab. Auch hier haben wir wieder viel Glück, weil im richtigen Moment eine Stornierung eintrudelt und Herr en Erik uns die Zimmer direkt reserviert. Geil – Planung steht! Wieder auf den letzten Drücker!

Ein paar Tage später geht es auch schon los. Beim bepacken unserer Räder sind wir an sich schon sehr routiniert, allerdings gibt es doch immer wieder Kleinigkeiten die noch geregelt werden müssen und so freue ich mich, doch noch einen kompletten Bremsbelag Satz für das Fatty zu finden. Bei dieser Tour haben wir das Gepäck soweit reduziert, dass eine Lenkerrolle, die Top Tube-Bag und die Arschrakete (sprich Satteltasche) für das grobe Gepäck ausreichen. Ich montiere noch die große Luftpumpe, weitere Flaschenhalter und die Werkzeugbox am Unterrohr. Alle elektrischen Geräte sind voll aufgeladen und der Food Pouch mit zwei Tagesrationen an Magnesium gefüllt. Wir laden die Bikes am Vorabend ins Auto, damit wir später keinen Stress mehr damit haben und direkt abfahren können. Da wir noch auf unseren nachtstreunenden Kater warten müssen, wird es doch recht spät, bis wir wirklich in den Schlaf finden.

Um 02:00 Uhr nachts klingelt der Wecker. Ich quäle mich verpennt unter die Dusche, um dann festzustellen, dass uns die Gastherme um die Uhrzeit nur kaltes Wasser ausspuckt. Das Duscherlebnis ist daher eher mittelprächtig – erfüllt aber doch den Zweck nun richtig wach zu sein. 45 Minuten später sitzen wir im Auto und fahren Richtung Belgien.

Mit Martin und Anja haben wir uns um 05:30 Uhr am Parkplatz des Tourismus-Büros verabredet. Pünktlich rollen wir auf den Platz und freuen uns dass die beiden schon dort sind. Nach einem kurzen Hallo und dem Zusammenbau der Räder, springen wir in die Radklamotten und sind bereit für die Abfahrt. Während Martin die Starterkarten austeilt, die er kurz zuvor am Hotel abgeholt hat, fällt uns auf, dass es ganz schön frisch ist. Selbst das Auto hatte uns darauf hingewiesen – Außentemperatur 4°C. Für die nächsten beiden Tage ist unglaublich gutes Wetter vorausgesagt. Wir sind uns jedenfalls sicher nicht lange frieren zu müssen.

Um viertel nach 6 starten wir auf die Strecke des Stoneman Arduenna. Zunächst geht es steil bergauf und an der Burg vorbei, die zu den schönsten Burgruinen der Ardennen gehört.

Burg Reuland

Kurz nach dem Ort erwartet uns auch schon die erste richtig steile Rampe. Die Beine sind noch nicht richtig warm und der kurze Anstieg schlaucht.

Wir kommen an ein paar Bauernhöfen vorbei und übersehen fast die erste Stempelstelle bei Grüfflingen. Von den anderen Stoneman Challenges sind wir gewohnt, die Stempelstellen an exponierten Orten, nach megalangen Anstiegen und hartem Körpereinsatz zu erreichen. Bis hier hin ging es verdammt schnell und die Stempelstelle wirkt am Waldrand mit Blick auf den Ort und an einer Straße gelegen eher unspektakulär. Wir freuen uns trotzdem das erste Loch stempeln zu können und feiern den Moment mit einem Schluck Gipfelschnaps – ist mittlerweile zu einer geliebten Tradition geworden.

Martin meint, ich solle doch mal das Gewicht von seinem Rad checken. Dass er ein leichtes Gerät dabei hat, war mir schon zu Beginn aufgefallen. Okay – ich hebe das Rad an und finde das Gewicht wirklich beeindruckend leicht. Da Martin kein Stoneman-taugliches MTB besitzt, hat er sich ein Orbea Oiz ausgeliehen. Gutes Fox Fahrwerk, leichter Carbon Rahmen und eine elektrische Sram GX als Topping. Das Orbea Oiz M-Pro AXS wiegt nur knappe 10 Kilo und ist damit deutlich leichter als die Räder von Nina und mir. Das Fatty Salsa Mukluk kommt mit voller Ausrüstung und Verpflegung auf 22 Kilo. Nina ist mit dem Scott Genius Enduro zwar bestens für Trails ausgestattet, allerdings führt auch hier die Bikepacking Ausrüstung und das satte 150er Fahrwerk zu einem ebenfalls hohen Gewicht. Anja und Martin haben aus verschiedenen Gründen beschlossen das Equipment lieber per Auto zum Beverly Weekend zu bringen. Dies haben sie am Vorabend schon erledigt und die Nacht im Auto verbracht. Mit kompletter Ausrüstung sind also nur noch Nina und ich unterwegs. Uns ist das ganz recht, denn wir fahren ja zu Trainingszwecken mit Gepäck…

Auf schmalen Trails der Kategorie S0 bis S1 geht es an Neidingen vorbei nach St. Vith. Wir rollen auf der ehemaligen Trasse der Vennbahn, die nun als Radweg dient, am alten Bahnhof in den beschaulichen Ort. Am nächsten Bäcker legen wir einen Frühstücks-Stopp ein, futtern jede Menge an Süßgebäck und trinken wirklich guten Kaffee. Da die Auslage mehr als prall mit den verschiedensten Leckereien gefüllt ist, stopfe ich mir auch noch zwei Nuss Ecken und ein herzhaftes Teilchen in die Trikottaschen.

Kurz nach St. Vith geht uns die Kombination aus Stoneman-Wegweisern und gleichzeitiger Navigation über den aktuellen GPX-Track wirklich auf den Senkel. Irgendwas scheint da nicht richtig zu funktionieren. Denn während uns die Schilder zum rechtsabbiegen anleiten, will uns das Navi weiter geradeaus schicken. Leider passiert das mehrfach und macht uns eher verrückt. Da wir ohnehin noch nie mit Navigation auf einem Stoneman unterwegs waren, stellen wir es einfach ab und konzentrieren uns lieber auf die montierten Wegweiser. Die Schilder haben ungefähr die Größe einer CD-Hülle und sind, sobald die Augen sich an die Suche gewöhnt haben, in aller Regel gut zu sehen. Generell ist die Strecke bestens ausgeschildert. Falls man doch mal einen Abzweig verpasst, merkt man dies spätestens nach 500 Metern.

Wir durchqueren zwei kleine Waldstücke und gelangen über Wiesen und Felder zur nächsten Stempelstelle bei Born wo wir unser zweites Loch stempeln können. Mega – läuft doch super! Das schwere Fatty läuft erstaunlich leichtfüßig und nervt keineswegs. Nina hat auch keine Probleme mit ihrem bepackten Rad. Die Stimmung ist super – kein Wunder bei diesem Sonnenschein. Mittlerweile ist es so warm geworden, dass die warme Oberbekleidung in der Arschrakete verschwinden kann.

An jeder Stempelstelle ist immer der nächste Abschnitt per Kartenausschnitt und Beschreibung zu finden. Die nächste „Checkpoint“ ist in Malmedy zu finden und liegt 23,3 Kilometer und 390 Höhenmeter von uns entfernt. An dieser Stelle finden wir auch das „You rock“-Schildchen. Wer möchte kann sich mit dem Schild in der Hand knipsen lassen und das Bild bei Instagram oder Facebook mit dem Hashtag #YouRockStoneman hochladen. Wer dann noch Freunde, Bekannte etc. darauf verlinkt bzw. herausfordert, landet in einem Lostopf bei dem monatlich Gewinne zu ergattern sind. Bike24 ist Sponsor dieser Aktion. Im Grunde geht es darum den Stoneman-Spirit zu verbreiten – eine, wie ich finde, tolle Idee.

Auf dem Weg nach Malmedy erwarten uns wirklich schöne Streckenabschnitte. Trails der Kategorie S1 und S2 sind auch dabei und erfordern besonders im Bereich der Kuckerell-Felsformation ein erhöhtes Maß an fahrtechnischem Können. Damit meine ich sowas wie „beherzt fahren oder beherzt schieben“. Ich habe großes Vertrauen in meine breiten 4.8er Reifen und fahre alles, mache mir dabei eher Sorgen um die Packtaschen. Unglaublich was die bei diesem harten Gelände alles aushalten müssen. Bei Nina schleift die Arschrakete teilweise am Hinterrad.

Am Fatty habe ich zu 90% mein Setup für das Taunus Bikepacking montiert – hier darf deshalb nichts kaputt gehen. Nina, Anja und Martin verpassen einen Abzweig und müssen umdrehen und einen steilen Hang hinauf (zurück in Richtung Strecke) „fahren“. Die Trails sind teilweise so eng, dass sie wie ein grüner Tunnel wirken – überall berührt Dich der Wald und du musst auch mal den Kopf einziehen. Ein wahrer Trail -Rausch kommt auf. An einer Lichtung warte ich eine knappe Viertelstunde und vertreibe mir die Zeit indem ich ein kleines Steintürmchen (Stoanmandl) baue.

Als alle wieder beisammen sind, fahren Nina und ich, berauscht von der Strecke, vor. Da Anja mit Martin an ihrer Seite nicht alleine ist, setzen wir uns guten Gewissens nach vorne ab. Fahren schöne Bergauf-Trails und schattige Waldwege. Nach einer Weile verlassen wir das große zusammenhängende Waldstück und sind wieder öfter auf freiem Feld unterwegs. Nach ein paar weiteren Anstiegen folgt eine schnelle Abfahrt, die uns bis in die Innenstadt von Malmedy führt. Wir gelangen zum zentral gelegenen „Place Albert“, an dem jede Menge los ist. Die Stille des Waldes wird hier durch die Geräusche von belebten und gut besuchten Cafés, dröhnenden Motorrädern und viel Verkehr abgelöst. Wir brauchen einen Moment, um uns an diesen Kontrast zu gewöhnen – tauchen dann aber in die Stimmung der Stadt ein. Ich organisiere ein paar Softdrinks und ein sehr leckeres Bier an einem Kiosk, der nur wenige Meter entfernt ist. Anschließend schlürfen wir die leckeren Kaltgetränke in der doch recht heißen Mittagssonne. Es ist wirklich verdammt heiß geworden (für uns der erste richtig heiße Tag in diesem Jahr) und ich bin echt froh, dass meine Einschätzung des belgischen Wetters diesmal völlig falsch war. Von Regen, tiefen Temperaturen und matschigen Trail sind wir Lichtjahre entfernt. Nach knapp 20 Minuten stoßen Martin und Anja zu uns und wir hängen noch eine Weile zusammen auf dem Platz ab, bevor wir die wenigen Meter zur nächsten Stempelstelle abspulen.

Diese finden wir im Garten der Kathedrale. Stempelstellen sind oft daran zu erkennen, dass sich eine Horde Mountainbiker davor tummelt. Hier fällt uns eine Gruppe auf, die mit einem extra angefertigten Gruppentrikot glänzen kann. Ich mag sowas total und wenn es gut gemacht ist, kommt das auch ziemlich souverän und beeindruckend rüber. Mir gefällt ein Spruch auf ihrem Trikot: „Erlebnis statt Ergebnis!“ ist unterhalb der Achselpartie zu lesen. Als ich einen der Fahrer darauf anspreche, hat er zunächst keine Ahnung wovon ich rede und muss sein Trikot erstmal nach besagtem Spruch absuchen. Komisch, denke ich – man muss doch eigentlich wissen, was auf dem eigenen Trikot steht. However – die „Stoneman-Truppe“ ist fertig mit stempeln und fährt die Hauptstraße runter.

Wir stempeln und wollen, nach dem Stempelstellenschnaps, ebenfalls in diese Richtung weiterfahren. Komischerweise finden wir aber keine Beschilderung, die diese Richtung vorgibt. Als wir dann doch eine Stoneman-Wegweiser-Tafel entdecken, zeigt diese in eine völlig andere Richtung. Wir schlagen den richtigen Weg ein und bereiten uns mental auf den längsten Anstieg der Strecke vor. Im Ort geht es auch schon recht schnell verdammt steil zur Sache. Der Weg wird im weiteren Verlauf immer schmäler und noch steiler. Zu unserer linken Seite erkennen wir an einer kaum noch fahrbaren Stelle mehrere verlassene Grundstücke mit verfallenen Häusern. Eigentlich passt das so gar nicht zum Bild der Stadt. Ich stelle mir die Frage, was hier wohl passiert sein mag. Zum Reden bleibt aber keine Luft, denn wir befinden uns an einem der steilsten Streckenabschnitte des Arduenna. Ab der kleinen Kapelle weit oberhalb von Malmedy wird es etwas entspannter. Zwei Frauen, die ihren Nachmittags-Spaziergang machen, feuern uns kräftig an. Die wissen unter Garantie, welchen Weg wir gerade hinter uns haben. Zur völligen Verwunderung trägt eine Gruppe an Rennradfahren bei, die an uns in Richtung Tal vorbeirauschen. Wie und wo genau wollen die jetzt mit ihren Bikes runterfahren?

Weiter geht es über einen wirklich coolen Trail bergab zum Campingplatz „Camping du Moulin“. Ab da geht es entlang des Warchetales stets bergauf in Richtung „Hohes Venn“. Der Anstieg ist durch die vielen Trails nicht zu unterschätzen – das zieht sich ganz schön. Als wir eine breite und flache Waldautobahn erreichen, beschließe ich der Kette etwas mehr Druck zu geben, mache mich klein und trete ordentlich Watt. Mir macht das ab und an richtig Spaß. Martin, der leicht versetzt hinter mir fährt, versteht sofort was los ist und hängt sich ebenfalls voll rein. Zusammen rasen wir die breite Piste entlang – bis zum nächsten Checkpoint kann es ja nicht mehr allzu weit sein. Auf den letzten 300 Metern vor der Stempelstelle zieht Martin dann an mir vorbei und brummelt etwas, das ich nicht wirklich verstehe. Kurz darauf stehen wir am Gipfel des Botrange. Über ein paar Treppenstufen am Baltia-Hügel gelangt man exakt auf 700 m – der höchste Punkt Belgiens. An der Stempelstelle stellen wir die Räder ab und warten auf die Mädels. Als ich mich umdrehe, fällt mir die Stoneman-Truppe aus Malmedy auf. Martin fängt an zu lachen und erzählt mir etwas von einem ungeplanten Bergauf-Rennen, das gerade stattgefunden hat. Er hätte mir noch zugerufen, dass uns da jemand einholen möchte. Jedenfalls wurde weder Martin noch ich überholt – mir eigentlich auch egal – bin ja zum Spaß hier. Nina hatte dann auch noch ihren Spaß mit der Truppe: da die ca. acht Jungs ihr auf der Waldautobahn in der prallen Hitze zu langsam fuhren, überholte sie die Gruppe ganz galant und fuhr dann mit Vollgas weiter. Sie muss dabei einen Teil der Jungs gekränkt haben, weil einige von ihnen daraufhin ordentlich in die Pedale traten, aber dann doch knapp 10 Minuten plus einen steilen Berg brauchten, um sie wieder einzuholen. Nina fand diese Situation mehr als amüsant – scheinbar haben einige Männer immer noch ein Problem damit, wenn sie beim Biken von einer Frau überholt werden …

Wir haben enormen Durst und kaufen Bier sowie Cola bei der Gastronomie des Platzes. Auf dem aufgeheizten Asphalt vor der Stempelstelle fühlen wir uns wie Brathähnchen.

Martin macht einen kleinen Powernap im Schatten und nachdem alle ein weiteres Loch in der Starterkarte haben, geht es weiter, während die Stoneman-Truppe bevorzugt lieber noch einen Moment unter dem großen Schirm im Schatten zu sitzen. Nach nur wenigen Metern erreichen wir einen Aussichtspunkt. Hier kann man den Blick über das imposante Gelände des Hochmoores schweifen lassen. Wir nehmen uns dafür einen kleinen Moment, bevor wir wieder mit dem Silber-Gedanken auf unsere Räder steigen.

Bis Ovifat geht es erstmal bergab und die Trails machen richtig Laune. Nach einem kleineren Anstieg kommen wir nach Robertville und dem Lac de Robertville. Bis zu unserem heutigen Etappenziel erwarten uns keine längeren Anstiege mehr. Weit ist es nicht mehr und wir liegen sehr gut in der Zeit. Die verbleibenden 10 Kilometer verlaufen über offene Felder und es gibt reichlich Momente, um die weite Landschaft zu bestaunen. Auch hier treffen wir wieder auf die Stoneman-Truppe und Nina hängt die Jungs in einem von Stacheldraht-Zaun begrenzten Wegstück wie eine Lokomotive ab. Wir haben ehrlich gesagt sehr viel Spaß dabei, die Jungs zu verblasen.

Kurz vor Büttgenbach lochen wir die Starterkarten an der nächsten und für heute letzten Stempelstelle. Im Ort angelangt, decken wir uns an einem Supermarkt mit Proviant für den heutigen Abend und den zweiten Fahrtag ein. Auf dem Weg zum See kommen wir an einer Pizzeria vorbei. Der enorme Hunger zwingt uns regelrecht an einen Sitzplatz in der Sonne. Bei Bier, Lasagne, Pizza, Weißwein und Co. schwelgen wir in den Erinnerungen des Tages. Am Nebentisch sitzen ein paar Jungs aus Aachen, die ebenfalls auf einem Bikepacking-Trip unterwegs sind.

Als wir bezahlen, geht langsam die Sonne unter und es wird deutlich frischer. Nebenbei bemerken wir, dass es zeitlich ganz schön eng wird mit unserem gebuchten Spa-Bereich. Also treten wir auf den letzten 3 Kilometern wieder fester in die Pedalen.

Am Beverly Weekend angelangt bewundern wir zunächst das sehr moderne Gebäude, dass, durch die sich im See spiegelnde Abendsonne, in einem warmen Orangeton glänzt.

Zunächst ist weit und breit niemand zu sehen. Wir klingeln und versuchen gleichzeitig per Handy Kontakt aufzunehmen. Nach ein paar Minuten erscheint der Chef der Ferienanlage, der uns freundlich begrüßt und uns den Platz zum Abstellen unserer Räder zeigt. Nachdem wir die Bikes in der Garage verstaut und das notwendige Zeug zum Übernachten aus den Packtaschen genommen haben, bekommen wir eine kleine Führung durchs Gebäude. Da er selbst nicht mehr lange vor Ort ist, erklärt er uns in aller Ruhe die Funktionsweise der Türöffner-Karte und an welchen Schlössern der ausgehändigte Schlüssel passt. Als wir in den Spa-Bereich kommen, verschlägt es uns endgültig die Sprache. Ein riesiger Pool mit Gegenstromanlage und Massagedüsen, ein Relax-Bereich zum Chillen, eine Infrarotkabine, mehrere Duschen und die Sauna erwarten uns. Es ist alles topschnieke ausgestattet und wirklich gut temperiert. Hier erklärt er uns die Funktionen des Pools mitsamt Led-Lichttechnik und meint, dass wir auch gerne länger als zuvor vereinbart die Anlagen nutzen dürfen. Wir haben also keinen Stress und freuen uns, das nach uns niemand dieses Erlebnis gebucht hat. Als Sahnehäubchen bietet er uns an, im benachbarten Fitness-Raum schlafen zu dürfen. Dieses Angebot nehmen wir gerne an und versprechen den Raum am nächsten Morgen zeitig zu verlassen. Ursprünglich war ja angedacht, auf der Wiese am See unser Biwak zu errichten. Draußen ist es jetzt aber doch echt frisch geworden und Nina und ich wollen das Risiko eine Erkältung zu bekommen nicht eingehen. Jetzt krank zu werden können wir uns wegen des nächsten sportlichen Jahreshighlights nicht erlauben. Und so verbringen wir den kompletten Abend mit vielen heißen Aufgüssen und ein paar Runden durch den Pool.

Zutiefst relaxed machen wir es uns im Fitnessraum gemütlich, kuscheln uns in die Schlafsäcke und sind im Nu eingeschlafen. Die Nacht ist für alle sehr erholsam; alle, bis auf Nina! Sie kämpft nämlich die halbe Nacht einen nicht mehr enden wollenden Kampf mit der Licht-Technik des Raumes… Alle halbe Stunde ist der Raum urplötzlich in Stadion-Flutlicht getaucht und sie schält sich jedes Mal aus der Penntüte, wackelt halb schlafend zum Lichtschalter und macht das Licht wieder aus. Leider passiert dies ab halb eins in einem stetigen Intervall von 30 Minuten bis zum Morgen. Durch die permanente Pilgerei findet sie nicht wirklich in den Schlaf und ist am nächsten Morgen zurecht total gerädert. Mit wachem Verstand wird uns klar, dass der Raum einen Bewegungsmelder vor der Tür hatte, vor der ich lag. Da der Lichtschalter auch neben der besagten Tür war, legte sie sich im Laufe der Nacht näher zu mir und dem Lichtschalter und hat damit die Situation unbewusst noch verschlimmbessert. Somit ging das Licht dann halt an, wenn einer von uns beiden sich bewegt hat. Aber schlaftrunken ist sie in der Nacht auf die Möglichkeit wirklich nicht gekommen. Im Nachhinein zum schießen lustig, aber um die Situation haben wir sie wirklich nicht beneidet.

Am nächsten Morgen dauert es eine Weile, bis wir alles zusammengepackt und an den Rädern verstaut haben. Da alle Lust auf Kaffee und ein kleines Frühstück haben, fahren wir auf der Strecke zurück nach Büttgenbach. Hinter der Pizzeria, in der wir gestern gut gefuttert hatten, finden wir eine Konditorei. Auch hier verschlägt es uns beim Anblick der üppigen Auslage wirklich die Sprache. Einfach genial! Es gibt alles was man sich nur wünschen kann. Der Kaffee ist mehr als überragend und bringt unsere Stimmung schnell wieder auf ein einsatzfähiges Level.

Die paar extra Kilometer hatten also doch einen Sinn und wir sind schnell wieder auf der Originalstrecke unterwegs, die zunächst über flowige Trails verläuft und ein paar saftige Anstiege bietet. Es folgt ein Abschnitt, der uns über ausgedehnte Felder an Büllingen vorbeiführt. Am Kreisel biegen wir auf eine kleine Schleife ein und wissen, dass wir in absehbarer Zeit wieder hier vorbeikommen werden. „Was uns auf dieser Schleife wohl erwarten wird…“, denken wir uns. Da es innerhalb des kurzen Stückes keine weitere Stempelstelle gibt, fällt uns auf, dass man diesen Teil auch auslassen „könnte“. Dies würde niemand bemerken. Wir wollen aber das volle Erlebnis Arduenna, denn cheaten war noch nie unser Ding und daher fahren wir neugierig in den nächsten Trail rein. Wie erwartet, werden wir hier nicht enttäuscht. Die kleine Extrarunde ist gespickt mit schönen Trails die Fahrspaß garantieren. Kurz darauf sind wir wieder im besagten Kreisel und brettern grinsend in den nächsten Trail. Hier fahre ich zähneknirschend an ein paar Kickern und größeren Bodenwellen vorbei. Ohne Gepäck wär hier der ein oder andere schöne Sprung möglich gewesen. Ich möchte aber die Grenzen des Fatty´s lieber nicht austesten. Auch ohne Airtime macht der Trail wirklich Spaß und lässt sich mit reichlich Adrenalin sehr gut und schnell durchfahren.

Den Campingplatz „La Hêtraie“ passieren wir auf einer breiteren Waldautobahn. Hier kann man ebenfalls direkt an der Strecke campen. Diese Möglichkeit hatten wir bei der Planung in Betracht gezogen, dann aber verworfen. Nach einem längeren Stück auf einem breit befestigten Weg, erwartet uns auch schon wieder das nächste Trail-Highlight. Über zwei wirklich schöne Abschnitte geht es, entlang des Kolvenderbaches, zur Herresbacher Mühle.

Direkt im Anschluss folgt das Ourtal, in dem es sehr flowig am Fluss entlang geht. Während ich am Gewässer entlang radele, schießt eine Gruppe Mountainbiker an mir vorbei. Alle sehr schnell und mit wenig Ausrüstung unterwegs. „Das muss eine Truppe auf Goldkurs sein…“, denke ich und trete mit einem Grinsen etwas fester in die Pedalen. Ich folge der Staubwolke, bis ich auf einem trailigen Abschnitt von hinten auf die Gruppe auflaufe. Während sich alle wundern, wer da von hinten angeschossen kommt, sehe ich schon den nächsten, sehr steilen Anstieg, der sich direkt hinter einer Kurve versteckt und schalte schnell auf den kleinsten Gang. Von den Vorausfahrenden wurde „Roland´s Handschrift“ allerdings zu spät erkannt und so kommt es, dass man diverse Schaltungen und Ketten um Hilfe schreien hört. Ich nehme den Schwung aus dem Hang mit in den Anstieg, habe den passenden Gang eingelegt, durch die breiten Reifen enorm viel Traktion und spule das steile Stück schnaufend hoch. Hinter mir sind die passenden Gänge noch nicht eingelegt und ein oder zwei Goldfahrer nehmen Bodenproben, weil sie so schnell nicht aus den Klickpedalen kommen. Der Anstieg ist megasteil und mir geht im obersten Bereich ebenfalls die Puste aus, weshalb ich in den Schiebemodus wechsle.

Über Felder und einen Ortsteil von Herresbach gelangen wir zum gleichnamigen nächsten Kontrollpunkt. Martin war lange vor uns dort und wartete bereits seit ca. 30 Minuten. Die Verlockung, das ausgeliehene Marathon-Fully auf Herz und Nieren zu prüfen, war einfach zu groß. Er hatte dem Sportgerät die Sporen gegeben und einen gewaltigen Vorsprung herausgefahren.

Während wir stempeln, treffen wir auf eine weitere Stoneman-Gruppe. Vater und Sohn sowie der Kumpel des Vaters sind wie wir auf Silber-Kurs durch die hügelige Landschaft der Ardennen unterwegs. Am Rad des Sohnes gibt es einen technischen Defekt. Der Bowdenzug der absenkbaren Sattelstütze ist am Betätigungshebel abgerissen und die begehrte und durchaus sinnvolle Funktion nicht mehr verfügbar. Ich helfe mit Werkzeug und ein paar Reparaturideen aus, kann aber vor Ort ohne Verwendung von weiterem, nicht vorhandenem Werkzeug nichts ausrichten. Schade! Vielleicht findet er im nächsten Ort jemanden, der einen Seitenschneider im Fundus hat und ihm weiterhelfen kann.

Über einen flowigen Trail gelangen wir durch den Ort Herresbach, der uns zum nächsten trailigen Stück führt. Bis nach Schönberg geht es zügig bergab, aber noch innerhalb des Ortes schon wieder steil bergauf. Am Peak des Hügels angelangt lege ich mich der Länge nach auf die Seite, weil ich eine tiefe Bodenrille wegen des hohen Grases nicht erkannt habe. Selbst das Fatty hat mit solch eingefahrenen Spuren (Schienen) seine Probleme. Zum Glück passiert weder mir, noch dem Rad etwas und es kann weiter gehen. Bis kurz vor Schlierbach gilt es weiter ein paar wirklich fiese Anstiege mit anschließendem Nachtisch in Form einer flotten Abfahrt zu bewältigen.

An einem dieser heftigen Anstiege müssen wir immer wieder auf Nina warten, da sie seit Anbruch des 2. Tages mit immer stärker werdenden Achillessehnen-Schmerzen zu kämpfen hat und lieber etwas langsamer macht. Konditionell geht es ihr aber mehr als Bestens. Selbst mit Gepäck sind wir wirklich flott unterwegs. Scheinbar zahlt sich das Training des letzten halben Jahres echt aus.

Nach dem Ort geht es eine Weile bergab. An einer Kreuzung treffe ich wieder auf Martin. Gemeinsam scannen wir den folgenden, gut einsehbaren Streckenabschnitt. Es geht auf der Straße steil bergab und dann hinter einer Kreuzung mördersteil bergauf. Wir überlegen, ob der Schwung aus der Abfahrt ausreichen könnte, um den kurzen Stich möglichst weit hochzukommen. Gesagt getan – antreten bis Vollgas und maximale Trittfrequenz erreicht sind – klein machen und rollen lassen – Speed möglichst beibehalten und darauf hoffen, dass weit und breit kein Auto auftaucht – dann nur noch die kleine Schikane aus Leitplanke und Böschungsbewuchs meistern und möglichst weit hoch ballern. Wir probieren das genau so aus und freuen uns über den erfolgreichen Abschluss dieser Mission. Bis nach Maspelt geht es jetzt steil bergauf. Das Stück nach der Überquerung des Radweges ist besonders hart. Obendrein ist es schon wieder mega heiß – der Planet brennt.

Das Fatty beginnt, besonders bei hartem Antritt, Geräusche am Tretlager zu produzieren. Mich nervt das schon eine ganze Weile. Jetzt kommt das Geräusch aber dauerhaft, was kaum zu ertragen ist. Beide Wasserflaschen sind zudem mittlerweile furz trocken und müssen dringend irgendwo aufgefüllt werden. Als wir durch den Ort rollen, bemerke ich einen Mann, der vor seinem Haus in der Sonne sitzt und Zeitung liest. Fragen schadet ja nicht, denke ich und wende mich mit der Bitte nach Wasser an den Herren. Hilfsbereit bietet er mir den Gartenschlauch an und mir kommt eine Idee. Ich fülle nicht nur die Flaschen auf, sondern nutze das kühle Nass um mich komplett abzuspritzen. Als ich den Schlauch zurückgeben möchte, fällt mir die gut sortierte Werkbank in der Garage auf. Wenige Minuten später habe ich die Kurbel des Fatty´s ausgebaut, gereinigt, neu gefettet und wieder eingebaut. Bei Sram Kurbeln braucht man zum Glück nur zwei größere Inbusschlüssel. Wir bedanken uns mehrfach und treten teils gut abgekühlt wieder in die Pedalen. Hoffentlich hat sich das mit der Knarzerei jetzt endgültig erledigt.

Am Ortsausgang überlegen wir, wo wohl die Stempelstelle „Maspelt“ bleibt und hoffen, noch nicht daran vorbei gefahren zu sein. Die Stempelstelle finden wir an einer wirklich schön gestalteten Schutzhütte. Hier haben wir ein wenig mit der Stanze zu kämpfen, die zwar locht, aber die Karte nicht wieder freigeben möchte. Mit ein klein wenig Geruckel und Geduld klappt es aber dann doch und die Zeit für den Gipfel- bzw. Stempelstellenschnaps nehmen wir uns gerne. Martin macht einen weiteren kurzen Powernap im Schatten der Schutzhütte.

Zeit wieder aufzubrechen! Mit einer schnellen Abfahrt geht es an der Our entlang abwärts. Auf dem Schild der letzten Stempelstelle wurde ein Anstieg angekündigt, der sanft beginnt und im oberen Teil immer steiler wird. Hier scheinen wir gerade entlangzufahren. Ich nehme einen riesigen Schluck aus der Trinkflasche, schalte mehrere Gänge runter und stelle mich auf einen kräftezehrenden Abschnitt ein. Martin zieht langsam, aber stetig das Tempo an. Ich versuche erst gar nicht an ihm dranzubleiben. Ich hab deutlich mehr Rollwiderstand und ein generell schwereres Bike zu bewegen. Martins Abstand wird größer und größer, bis er nicht mehr in Sichtweite ist. Die Beschreibung des Streckenabschnittes war wirklich gut und ich merke, dass ich scheinbar schon recht weit oben sein muss, denn steiler kann es kaum werden. Am Peak des Anstieges ziehe ich eine komplette Trinkflasche leer und beginne mit der Abfahrt. Es geht zunächst in halsbrecherischem Tempo auf einer Waldautobahn bergab. Die breiteren Reifen geben mir in schnellen Kurven ein hohes Maß an Sicherheit.

Die Strecke zweigt auf einen Trail ab, der mit einer weiteren Flussdurchquerung beginnt. Danach geht es sehr flowig und unheimlich schnell bergab. Ich nehme die Finger von den Bremshebeln und lasse einfach laufen. Es wird schneller und schneller – die Abfahrt scheint kein Ende zu haben. Mega geil! Ich fliege durch ein paar Kurven in gefühlter Lichtgeschwindigkeit. Die Mountainbike-Fahrtechnik-Skills scheinen noch gut zu funktionieren. Ich bin zentral im Rad, federe Bodenwellen und Wurzeln mit ruhigem Oberkörper nur durch Beine und Arme ab und hab dabei den Spaß des Jahrtausends.
Wie aus dem Nichts stehen auf einmal zwei Kinder auf dem Trail, die mich aber schon gehört hatten und rechtzeitig zur Seite springen. „Scheinbar nähere ich mich wieder besiedeltem Gelände…“, denke ich, als ich schon wegen der nächsten Flussquerung abbremsen muss. Der Trail spuckt mich mitten auf einem Campingplatz aus, was mich gewaltig verwirrt. Seit wann genau verlaufen Stonemanstrecken über Campingplätze bzw. Privatgrundstücke? Ich brauche ein paar Meter, um mich an die neue Situation anzupassen. Hier wird nicht gerast, Thomas! Hier gibt es Kinder, Hunde und Menschen die in Ruhe Urlaub machen wollen. Als ich den Biergarten vor mir entdecke, sehe ich Martin, der gerade sein Rad parkt.

Wir freuen uns auf ein kaltes belgisches Bier und setzen uns an einen bequemen Tisch. Martin hatte auf dem letzten Trail auch Spaß ohne Ende und verfällt mehr und mehr dem Wunsch sich ein eigenes MTB zu kaufen. Nach knapp einer halben Stunde, das Bierglas ist bereits leer, kommen Nina und Anja dazu.

Wir haben alle einen abartigen Hunger und warten auf den Kellner. Besonders bei Anja ist der „Wunsch“ zur Nahrungsaufnahme besonders stark ausgeprägt. Im Biergarten ist viel los und die wenigen Angestellten haben jede Menge damit zu tun, alle voll besetzten Tische gleichermaßen schnell zu bedienen. Das Wetter ist absolut Bombe – völlig klar, dass der Laden überrannt wird.

Mir fällt ein Typ auf, dem wir heute schon mehrfach begegnet sind. Scheint ein sehr guter und schneller Läufer zu sein. Aus Interesse frage ich einfach nach. Im Gespräch stellt sich heraus, dass er mit einem Bekannten die komplette Strecke des Stoneman Arduenna innerhalb eines Tages ablaufen möchte und gerade dafür trainiert. Ich kann kaum glauben, dass dieses Vorhaben überhaupt möglich sein soll. Schon mit dem Mountainbike ist die Gold-Variante eine echte Herausforderung und definitiv nicht zu unterschätzen. Wir quatschen eine ganze Weile und ich bestärke ihn in seinem Vorhaben. Vielleicht wäre es nicht verkehrt Stoneman Arduenna oder sogar Roland Stauder persönlich in das Vorhaben einzuweihen. Roland findet solche herausragenden Ideen besonders beeindruckend.

Ich denke an den letzten Podcast, in dem er unter anderem erzählte, dass es eigentlich kaum möglich sei den Arduenna zu fahren, ohne dabei ein belgisches Bier zu trinken. Vielleicht ein Weiteres verköstigen? Wäre eine Idee! Anja wird im Hintergrund laut. Ihre Geduld ist ausgereizt und der Kellner ratzfatz an unserem Tisch, um die Bestellung aufzunehmen. Wenig später schlemmen wir sehr glücklich und zufrieden Pasta, Salat und andere Leckereien. Es kommt, wie es kommen musste. Der Biergarten ist ein prima Ort zum „versitzen“. Es folgen weitere Biere, die zum Teil auch mehr Umdrehungen beinhalten als ratsam.

So verfliegt Stunde um Stunde – egal, wir haben wirklich großen Spaß und genießen die Zeit, die wir nicht auf dem Sattel verbringen. Trotzdem ist es irgendwann Zeit weiterzufahren, denn bis zum Ziel nach Burg Reuland ist es noch ein kleines Stück. Aus Erfahrung wissen wir aber, dass man selbst kurze Abschnitte auf Roland Stauder’s Strecken nicht unterschätzen sollte. Beim Bezahlen bemerke ich, dass besonders das letzte Starkbier vielleicht eines zu viel war.

Wir schwingen uns wieder auf die Räder und passieren die Ortschaften Peterskirchen und Ouren. Nach nur wenigen Kilometern können wir das letzte Loch in unserer Starterkarten stempeln und die Freude ist riesig.

Wir befinden uns im Dreiländereck und kommen am Europadenkmal vorbei. Hier muss man sich wirklich fragen, ob man gerade durch Deutschland, Belgien oder Luxemburg fährt, denn die Grenzen verlaufen fast fließend ineinander.

Auf den verbleibenden 16 Kilometern bis nach Burg Reuland kämpfen wir uns über die letzten drei Berge – einer fieser als der andere. Zwischendurch gibt es zwar immer eine rasante Abfahrt, die aber gerade so ausreicht, um den Puls wieder runter zu bekommen.

Irgendwann bin ich allein unterwegs, weder Martin, noch Nina und Anja sind irgendwo zu sehen. Ich frage mich, ob dies der letzte Anstieg unserer zweiten Etappe war, als ich die Kuppe des Hanges erreiche. Oben angelangt finde ich Martin, der auf einer Bank unter einem Baum auf mich wartet. Eine kurze Diskussion mit Überprüfung unseres Standortes bringt Gewissheit. Direkt vor uns liegt tief im Tal Burg-Reuland.

Da wir langsam in eine zeitliche Bredouille geraten, überlegen wir, ob wir es rechtzeitig zum Hotel schaffen, wenn wir hier auf die Mädels warten. Wie immer kommen wir wahrscheinlich zum Küchenschluss am Hotel an. Es ist halb acht und die Küche des Ulftaler Hotels wird um 20:00 Uhr schließen. Selbst schuld – wir haben einfach zu viel Zeit im Biergarten verplempert. Von den Mädels ist weit und breit nichts zu sehen und telefonisch erreichen wir weder Nina noch Anja. Vielleicht könnten sie uns ja einen Essenswunsch nennen und wir könnten schon losfahren, um die Bestellung aufzugeben. Als die beiden dann wie aus dem Nichts auftauchen, klären wir kurz die Situation und machen uns flott auf den Weg.

Nach Burg Reuland geht es sehr steil und felsig auf einem schmalen Trail bergab. „Hier sollte man lieber nicht zu schnell runterfahren…“, denke ich als ich nach einem Fahrfehler fast die Kontrolle verliere. Im Ort angelangt, spulen wir das restliche Stückchen auf Asphalt ab und gelangen zum Hotel Ulftaler Schänke. Wir parken die Räder an der Außen-Terrasse und flitzen zur Rezeption, um uns anzumelden. Hier treffe ich auf Herrn en Erik, der mich herzlichst begrüßt. Wir sollen uns mit dem Küchenschluss keine Sorgen oder Gedanken machen, denn es wären mehrere Gäste vor Ort, die noch nicht bestellt hätten. Wir nehmen an einem Tisch im Außenbereich Platz als Nina und Anja gerade eintreffen.

Schnell sind ein paar große belgische Biere und verschiedene Gerichte bestellt. Herr en Erik überreicht uns die Trophäen und gratuliert uns zum erfolgreichen Abschluss unserer Silbertour. Als das Essen kommt, sind wir wirklich beeindruckt. Alles megalecker und fantastisch angerichtet. Besonders der Salat von Nina sprengt den Rahmen des Erwarteten. Mehrere große Gambas, ein Forellenfilet sowie mehrere große Lachsscheiben sind nur ein Teil der üppigen Salatdekoration. Wir beschließen tiefer in die belgische Bierbraukunst einzutauchen und fragen Monsieur en Erik nach Bierspezialitäten des Hauses. Dass wir zu diesem Thema den richtigen Ansprechpartner gefunden haben, wird uns schnell bewusst. Der Hotelier setzt auf kleine und besondere Brauereien aus der Region, um diese zu unterstützen. Mit den verschiedenen Bieren kennt er sich sehr gut aus und empfiehlt uns ein paar besondere Schmankerl aus dem breiten Angebot.

Nina bestellt ein Bier einer Brauerei, die ihre Biere nach Songs der Rolling Stones benennt. Ihr „Sympathy for the Devil“ kommt in einem bauchigen stilvollen Glas, ist farblich fast blutrot, schmeckt stark und fruchtig. Martin und ich probieren das „La Redoutable Triple“. Die Brauerei La Redoutable weist eine hohe Affinität zum Radsport auf. La Redoute ist ein Hügel in den Ardennen, der vor allem als Anstieg des Radklassikers Lüttich-Bastogne-Lüttich bekannt ist. Der durchschnittliche Anstieg dieses Hügels hat einen Steigungsgrad von 9,5 % – und daher das Bier ebebfalls einen Alkoholgehalt von 9,5 %. Auf dem dazu passenden Glas ist der Streckenverlauf mit einer gestrichelten Linie angedeutet, auf der ein Rennradfahrer entlang fährt. Wir finden das alles sehr cool und das Bier schmeckt wirklich unglaublich gut. Im Verlauf des Abends probieren wir uns noch durch weitere Bierköstlichkeiten, die allesamt nicht gerade günstig sind, aber einen beeindruckenden Geschmack aufweisen. Qualität hat eben ihren Preis.

Als es langsam kalt wird, bedanken wir uns beim Hotelier für den schönen Abend, quatschen noch kurz auf den Zimmern und fallen glücklich sowie erschöpft in unsere Betten.

Am nächsten Morgen freuen wir uns über das tolle Frühstücksbuffet und trinken jede Menge Kaffee. Nachdem wir die Räder wieder an oder in den Autos verstaut haben, bedanken wir uns für die tolle Gastfreundschaft und den überragenden Service bei Monsieur en Erik und treten die Heimreise an.

Nach nur knapp drei Stunden sind wir wieder zu Hause und im Alltag angelangt. Klar merken wir den Beinen an, dass sie ordentlich was geleistet haben, freuen uns dennoch über unsere bisher beste Performance und dass wir nun den letzten unbekannten Stoneman bezwungen haben.

Mit großem Stolz kann ich jetzt das fünfte Silikonbändchen am Arm tragen und bin auf weitere Stoneman Abenteuer gespannt...

Gerne wieder, Roland!

Im Text habe ich verschiedene Produkte, Marken, Dienstleister oder Dienstleistungen erwähnt. Durch die Nennung dieser habe ich keine monetären Vorteile, muss es aber trotzdem als Werbung deklarieren. Ich teile gerne persönliche Erfahrungen und empfehle, was mir besonders gefällt, gerne weiter.

Hinterlasse einen Kommentar